Registrieren
Startseite

BGH: Zustellung eines Urteils lediglich an Terminsvertreter ist unwirksam

23.09.2022 , Redaktion fixthedate.de
Rechtsanwalt liest aufmerksam ein Urteil
Rechtsanwalt liest aufmerksam ein Urteil

BGH Beschluss vom 28.11.2006 – Aktenzeichen VIII ZB 52/06

Vorinstanzen:
LG Hof – 22 S 8/06 AG Wunsiedel

Normen:
ZPO § 172 Abs. 1 S. 1

Leitsatz

Die Zustellung eines Urteils an einen lediglich als Terminsvertreter anzusehenden Unterbevollmächtigten ist unwirksam und setzt Rechtsmittelfristen nicht in Lauf

Sachverhalt

Das Endurteil des AG, mit dem der Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin 1.490,37 EUR zu zahlen, ist der Hauptbevollmächtigten des Beklagten am 23.1.2006 und den Unterbevollmächtigten, die für den Beklagten und dessen Hauptbevollmächtigte die Termine zur mündlichen Verhandlung und zur Beweisaufnahme vor dem AG wahrgenommen hatten, am 17.1.2006 zugestellt worden. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte mit einem am 20.2.2006 eingegangenen Schriftsatz seiner Hauptbevollmächtigten Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat die Berufung durch Beschluss als unzulässig verworfen und hat zur Begründung ausgeführt: Bei den Unterbevollmächtigten habe es sich nach dem Vorbringen des Beklagten nicht ausschließlich um Terminsvertreter gehandelt. Sie seien daher zur Entgegennahme des ihnen am 17.1.2006 zugestellten Urteils bevollmächtigt gewesen. Die von der Hauptbevollmächtigten am 20.2.2006 eingelegte Berufung sei demnach verspätet.

Aus den Gründen

... Die Rechtsbeschwerde ist ... gem. § 575 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

... Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zu Unrecht gem. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verworfen.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Berufung des Beklagten nicht verspätet, sondern fristgerecht. Die Zustellung des Urteils an die Unterbevollmächtigten des Beklagten am 17.1.2006 hat die Berufungsfrist nicht in Gang gesetzt. Die Zustellung in einem anhängigen Verfahren hat nach § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten zu erfolgen. Zustellungen unter Verstoß gegen diese Vorschrift sind unwirksam und setzen Rechtsmittelfristen nicht in Lauf (vgl. BGHZ 61, 308 [310 f.] = MDR 1974, 226; BGH, Beschl. v. 29.9.1993 – XII ZB 49/93, NJW-RR 1994, 127, unter II 1a; Wenzel in MünchKomm/ZPO, Aktualisierungsband, 2. Aufl., § 172 Rz. 19; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 172 Rz. 23; Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 172 Rz. 23). So liegt es hier, da die Unterbevollmächtigten des Beklagten nicht zu Prozessbevollmächtigten bestellt waren.

Prozessbevollmächtigter i.S.d. § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist diejenige Person, der die Partei eine Prozessvollmacht erteilt hat, die nach § 81 ZPO zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen ermächtigt; die Bestellung zum Prozessbevollmächtigten geschieht dadurch, dass dem Gericht die Bevollmächtigung ausdrücklich oder schlüssig zur Kenntnis gebracht wird (vgl. BGHZ 61, 308 [310 f.] = MDR 1974, 226; Wenzel, a.a.O., Rz. 19 und 5; Stein/Jonas/Roth, a.a.O., Rz. 7 und 9; Zöller/Stöber, a.a.O., Rz. 4 und 6). Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der Unterbevollmächtigten des Beklagten nicht erfüllt. Eine Vollmachtsurkunde haben die Unterbevollmächtigten nicht vorgelegt. Die Unterbevollmächtigten sind ggü. dem AG auch nicht in einer Weise aufgetreten, die den Schluss auf eine den gesamten Rechtszug umfassende Vertretungsmacht des Beklagten zugelassen hätte (vgl. dazu BGHZ 61, 308 [310 f.] = MDR 1974, 226). Sie haben den Beklagten lediglich in der mündlichen Verhandlung und den Beweisaufnahmen vertreten, wobei die Protokolle ausdrücklich vermerken, dass sie in Untervollmacht für den Beklagten und dessen Hauptbevollmächtigte erschienen seien, die sämtliche Schriftsätze für den Beklagten eingereicht hatte. Bei dieser Sachlage waren die Unterbevollmächtigten lediglich als Terminsvertreter anzusehen (vgl. BGH v. 29.9.1993, a.a.O.). Auch der Beklagte hat, entgegen der Darstellung des Berufungsgerichts, nicht behauptet, dass es sich bei den Unterbevollmächtigten nicht ausschließlich um Terminsvertreter gehandelt habe. Die einmonatige Berufungsfrist des § 517 ZPO begann demnach erst mit der Zustellung des Urteils an die Hauptbevollmächtigte des Beklagten am 23.1.2006. Die am 20.2.2006 eingelegte Berufung ist somit fristgerecht.